Montessori-Pädagogik und das Menschenrecht auf inklusive Bildung

 Arnold Köpcke-Duttler

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Veröffentlichung an anderer Stelle in Vorbereitung

Einleitung

Unter den menschenverachtenden Bedingungen des Ghettos in Warschau und Łodz, noch vor den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau haben Kinder gespielt. In seiner Studie „Spiele im Schatten des Todes“ erinnert Georg Eisen daran: „Die Kinder des Ghettos spielten und lachten, und die ganze Tragödie spiegelte sich in ihren Spielen. Sie spielten zum Beispiel Totengräber: Sie hoben eine Grube aus, legten ein Kind hinein und nannten es Hitler. In einem ihrer Spiele waren sie die Totenwächter des Ghettos. Einige spielten die Rolle der Deutschen, andere die der Juden. Und die Deutschen waren wütend und schlugen die anderen Kinder, die Juden waren. Und immer wieder spielten sie Beerdigung …“.[1] Im Angesicht ihrer drohenden Vernichtung, geschwächt durch den Hunger und beschmutzt durch die mangelnde Hygiene suchten die Kinder, die sehr wohl gesehen haben, dass ihre Angehörigen in die Vernichtungsläger fortgeführt worden waren, der grausamen Wirklichkeit Stand zu halten, Ohnmacht und Schutzlosigkeit zu ertragen. Das Spiel übernahm für sie die Überlebensfunktion; sie spielten, um zu „iberlebn“, und brachten in ihren Spielen ihren Lebenswillen und ihren Geist des Widerstehens zum Ausdruck.

So heißt es in Wisława Szymborskas Gedicht „Ein Jahrhundert geht zu Ende“:

„Einige Unglücksfälle
sollten nicht mehr passieren,
zum Beispiel Krieg,
Hunger und so.
Die Wehrlosigkeit der Wehrlosen,
Vertrauen, und so weiter,
sollten Achtung genießen.“[2]

Weit eher als von Unglücksfällen spräche ich von unerträglichen Unrechtserfahrungen, die eine Quelle der gegenwärtigen Menschenrechte bilden.[3]

Das Recht des Kindes auf Achtung und Selbst-Werden

Der polnische Arzt und Pädagoge Janusz Korczak (1878 – 1942) forderte in seinem Leben und Sterben die Achtung vor dem Kind und die Liebe zu jedem einzelnen Kind. Er ging aus von dem Recht eines jeden Kindes auf Achtung. Auch Korczaks dialogisches Verständnis von Erziehung führt in dem Lebens- und Erfahrungsraum Schule zu „integrationsorientierten Konzepten“.[4] Korczak wollte erreichen, dass die Kinder ihr Kind-sein leben (Recht jedes Kindes auf Kind-sein), ihre Lernerfahrungen selber erlangen, ihre Freuden und Enttäuschungen erleben und auf diese Weise wachsen und reifen können. Ferdinand Klein entdeckt in Korczaks Pädagogik einen Impuls für mehr Gemeinsamkeit im Bildungswesen und beruft sich dabei auch auf einen Grundgedanken Jakob Muths, das die Gemeinsamkeit aller und die Gemeinsamkeit des einzelnen mit den anderen ein Grundrecht demokratischer Lebensauffassung, ein Grundrecht des Mensch-Seins sei. Korczak geht es um die Würde des Kindes und des Menschen in seiner Einmaligkeit und Einzigartigkeit; zwischen den Menschen suchte er das Gemeinsame und Verbindende mit großer Tiefe des Erfahrens:

„Wir können von ihm lernen: Wer den Menschen nach dem Ideal des Schönen, Gesunden und Leistungsstarken einstuft, ignoriert und verleugnet die eigene Schwäche. Leistungswahn und Gesundheitsstolz führen zum Unterdrücken, zum Nicht-teilhaben-Lassen, zum Zerlegen und Zergliedern, zum Absondern und Isolieren. Das hier zum Vorschein kommende Behindertwerden ist zu überwinden“.[5] Differenzierungen bei der gemeinsamen Erziehung und Bildung dürfen nicht zu einer Segregation verschiedener „Behinderungs-Typen“ in verschiedenen schulischen Einrichtungen führen. Jede Schule soll allen Kindern (auch den Kindern mit verschiedenen Formen der Behinderung) die Möglichkeit geben, zusammen zu leben und zusammen zu lernen.

Diese integrative (gesteigert: inklusive) Erziehung von Kindern mit einer und Kindern ohne eine Behinderung macht Ernst mit dem obersten Recht des Kindes auf Achtung, auf Anerkennung seiner Würde. Bei Korczak, bei Jakob Muths Forderung nach Gemeinsamkeit im Bildungswesen, bei Maria Montessori, die die Lebens- und Gestaltungskräfte der behinderten und nichtbehinderten Kinder gesehen hat, bilden den Mittelpunkt Anerkennung und Würde des Kindes, der Kampf gegen seine Absonderung, gegen jede Absonderungstendenz. Korczak hat zudem erkannt – wie alle großen Pädagoginnen und Pädagogen, dass die Verteidigung der Würde und der Rechte des Kindes nicht getrennt werden kann von dem Kampf um soziale Gerechtigkeit, von der Zuschüttung des Grabens zwischen Reichen und Armen oder zwischen Kindern in Ländern mit Frieden und solchen im Krieg.[6]

Korczak ist für das Kind und für sein Recht eingetreten; mit Kindern ist er als Gleichberechtigten umgegangen, mit ihnen ihre Todesangst und ihren Tod teilend.[7] Ferdinand Klein spricht von Korczaks „fröhlicher Pädagogik“, von seiner Freude mit der Selbstentfaltung der Kinder. Am 4. August 1942, einen Tag vor dem Wegtransport in das Vernichtungslager Treblinka, schreibt Korczak in sein Tagebuch:

„Ein scheinbar normaler Tagesanfang:
Ich sage zu Hannah: „Guten Tag!“
Sie antwortet mir mit einem verwunderten Blick.
Ich bitte: „Lächle doch.“
Es ist ein gequältes, blasses, schwerkrankes Lächeln.„[8]

Korczaks Pädagogik der Achtung fördert die Erziehung zum Frieden in einer friedlosen Welt. Pädagogik und Politik soll in der Sehnsucht der Kinder nach der Menschwerdung des Menschen dienen, der Sehnsucht nach einem besseren Leben, das es nirgends gibt, das es einmal geben wird: Einem Leben der Wahrheit und Gerechtigkeit, wie er es seinen Kindern in einem Brief im Augenblick des Abschieds zugesprochen hat.[9] Dabei gibt die Erkenntnis das Maß, dass das Kind lehrt und erzieht; aus der Ungewissheit und Zurückhaltung entspringt die schöpferische Kraft des Erziehens. Korczaks Leben gründet in Achtung und Liebe, auf Teilnahme, Freude, schöpferischem Handeln. In dem „Lebensraum der Freude“ (Ferdinand Klein) geht es nicht um die Heraufzucht eines neuen Menschen durch eine staatliche gelenkte Erziehungsdiktatur; vielmehr will Korczak den unterdrückten Menschen zu ihrem Recht auf Selbst-Sein aufhelfen durch eine „Revolutionierung der Kinderwelt“ (Hartmut von Hentig). In dem zu sich werdenden Menschen bewegt sich die ganze Welt. Emphatisch gesprochen, geht es Korczak und anderen nicht-lehrenden Lehrern um die Demut vor der hellen, lichten seligen Kindheit.[10] Ihr gegenüber kann eine Pädagogik der Herrschaft ihren Bestand nicht behaupten.

Irena Sendler und die Rettung der Kinder

In Polen ist es sicher nicht vergeblich, Irena Sendlers und anderer Menschen zu gedenken, die Kinder aus dem Warschauer Ghetto gerettet haben, Kinder, die, geschwächt von Hunger und von den furchtbaren Lebensbedingungen im Lager, auch moralischer und emotionaler Unterstützung bedurften. Es wird berichtet, dass Lagerneurosen die Kinder nachts schreien ließen, dass jedes Kind in den Schlaf gewiegt werden musste.[11] Anna Mieszkowska erinnert sich an alle Opfer der Kriegsgreuel, der Vernichtungslager, des Ghettos und spricht davon, dass aus den Löchern ohne Tageslicht und aus den Trümmern abgemagerte, zerlumpte, verschmutzte und traumatisierte Kinder aufgetaucht sind. Die ?Vereinigung der Holocaust-Kinder? in Warschau kann die Rettung der Kinder, die den Holocaust überlebt haben, nicht vergessen. Irena Sendler und die Untergrundorganisation ?Zegota? gaben sich hin für die polnischen Juden, die auf furchtbare Weise gequält wurden, und halfen ihnen heraus aus dem Ghetto. Sie retteten Menschen durch kleine Gesten des aktiven Mitfühlens, in großer Sensibilität für fremdes Leid, ihre eigene Angst, von den deutschen Besatzern getötet zu werden, aushaltend. Mit Mut und Mitgefühl entdeckten sie Auswege aus der Vernichtungspolitik; in ?Zeiten der Vernichtung? (Michael Glowinski) standen sie an der Seite der Gedemütigten und Benachteiligten. Irena Sendler und um sie herum zehn aufopferungsvolle Frauen ? und auch Männer ? retteten die Welt, in dem sie Tausende von Menschen vor der Vernichtung bewahrten und angesichts der Shoah einander Züge eines menschenwürdigen Lebens gaben. Die mittlerweile gestorbene Irena Sendler selber berichtet, sie habe nur getan, was jeder Mensch tun solle, wenn ein anderer Mensch sich in Not befinde. So schreibt einer der von ihr Geretteten: ?Frau Sendler beschenkt die Welt mit allem. Mit ihrer positiven Einstellung zur Welt und mit Energie, mit ihrer Weisheit und Güte, mit ihrer Freundlichkeit und der Bereitschaft, ununterbrochen jenen zu helfen, die in Not geraten sind. Auch mit ihrem Lächeln, obwohl ihr das Lächeln in ihrem schweren und wunderbaren Leben sicher nicht immer leicht gefallen ist.?[12] In Irena Sendler und denen, die mit ihr zusammengearbeitet haben, verdeutlicht sich die Überwindung der Grausamkeit, des Unrechts, des Zeitalters der Barbarei. Ein Blick auf ihr Leben zeigt, wie brüchig die Gerechtigkeit ist und dass aus der Einsicht in die Brüchigkeit eine neue Achtung der Menschheit entstehen kann, die auch eine Sonderpädagogik angesichts von Auschwitz zu tragen die Kraft besitzt.[13]

Maria Montessori und der Nationalsozialismus

Das Recht des Stärkeren, die Durchsetzung der Macht der Starken über die Schwachen hat Maria Montessori zu keinem Zeitpunkt gefordert ? auch nicht unter dem Eindruck weltweiter ökonomischer Krisen und angesichts von Kriegen, auch nicht in der Zeit des italienischen Faschismus. Anders als die Schriftstellerin, Frauenrechtlerin und Pädagogin Ellen Key propagierte sie keine rassenhygienischen Gedanken, forderte sie ? Kulturentwicklung und Kampf um das Dasein zusammenwerfend ? nicht die ?Ausmerze? schwacher und verkrüppelter Kinder. Noch sei ? so Ellen Key ? in der Gesellschaft, die unter anderem die Todesstrafe und den Krieg aufrecht erhalte, die Ehrfurcht vor dem Leben nicht groß genug, als dass man ohne Gefahr das Verlöschen des psychisch und physisch unheilbar kranken und missgestalteten Lebens gestalten könnte. In dem ?Jahrhundert des Kindes? sollte ? völlig entgegen Albert Schweitzers Grunderfahrung der Ehrfurcht vor dem Leben ? die Barmherzigkeit, den Tod zu geben, berechtigt sein, unter ärztlicher Kontrolle das Leiden ausgelöscht werden können. Den Hintergrund dieser tödlichen Barmherzigkeit bildeten sozialdarwinistische Gedanken, wonach die Zugehörigkeit zu armen Schichten der Bevölkerung zurückzuführen sei auf eine geistige und moralische Minderwertigkeit.[14] Das wenig lebenskräftige und minder leistungsfähige Individuum werde auf dem Weg der natürlichen Auslese früh ausgeschieden und dürfe nicht durch ärztliche Kunst und soziale Fürsorge am Leben erhalten werden. Hilfsschullehrer richteten Lehr- und Arbeitskolonien für schwach-begabte ein als Mittel gegen die Durchdringung des Volkes mit ?unheilbar Minderwertigen?, proklamierten den Schutz der geistig Minderwertigen vor dem ?Lebenskampf?. Es gebe nicht nur eine ?Fürsorge für Minderwertige?, sondern auch die Pflicht, dem Schutz der Gesundheit und Tüchtigkeit der Rasse zu dienen. Fürsorge ? so Rupert Egenberger ? bedeute auch Hingabe an die Verhütung der Rassenverschlechterung, an die Nutzung des ?Kapitals an Volkskraft?, Aufrichtung eines heiligen Gesetzes, das die Verhinderung der Ausbreitung der Minderwertigkeit gebiete.[15] Die nationalsozialistische Politik zielte auf die Förderung der rassisch wertvollen, auf die ?Ausgrenzung und Ausmerze? der als minderwertig Abgeurteilten. Fürsorge beabsichtigte nicht den Schutz und die Integration der Schwachen und Benachteiligten, sondern die Herrschaft der sich als wertvoll Erklärenden und Erbgesunden im Dienst der autoritären Volksgemeinschaft.[16] Der konsequenteste ?Massenraubmord der modernen Geschichte?[17], die Politik des Massenmords kulminierte mit dem Beginn der Kriegsvorbereitungen. Der ?völkische Krieg nach innen?[18] richtete sich gegen behinderte Menschen, Sinti, Roma, Juden, als asozial und arbeitsscheu Verachtete und als ?Schmarotzer an der gesunden Gesellschaft? zu Vernichtende. Der Zusammenhang des Krieges nach innen mit dem Krieg nach außen wird deutlich darin, dass der Diktator die Anweisung der staatlich durchgeführten Vernichtung im Oktober 1939 zurückdatierte auf den 1. September, den Tag des Kriegsbeginns. Die Kinderaktion, als ?Gnadentod? verhüllt, begann im August 1939 mit der Einführung einer Meldepflicht für alle körperbehinderten und geistig behinderten Neugeborenen; die tödliche Behandlung dauerte bis zum Kriegsende an. Die ?Aktion T4? und ?Sonderbehandlung F13? erläutere ich hier nicht; von Bedeutung bleiben die Worte eines Hilfsschullehrers schon aus dem Jahr 1933, das Heil des Volkes bestimme die Richtung der künftigen Heilpädagogik. Das Kind selber sei für den Staat der Zukunft ein Nichts ohne seine wehrhafte Beziehung zum Volksganzen. Der Heilerzieher sorge nicht in erster Linie für den bedürftigen Zögling, sondern gehorchte dem alles beherrschenden Interesse der Gesamtheit des Volkes, jenem als rechtlich behauptenden Unrecht, das allein der Führer auszusprechen berechtigt sei.[19]

Solchen Verbrechen einer die Menschen verachtenden Rassenpolitik, der Ermordung von Kindern[20] hat Maria Montessori zu keinem Zeitpunkt zugestimmt. Ob sie sich hinreichend dagegen aufgelehnt, sich praktisch widersetzt hat, bleibt eine zu klärende Frage. In einem Brief an Giuliana Sorge vom 30. August 1948 drückte sie ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft aus. Glaube, Hoffnung und Barmherzigkeit verbänden Gott und den Menschen miteinander.[21]Günter Schulz-Benesch hat in einem nationalsozialistischen Pamphlet gegen die Montessori-Pädagogik, erschienen am 23. Januar 1936, die Sätze gefunden, die Montessori-Pädagogik propagiere eine undeutsche und egoistische Haltung; mit Hilfe des Montessori-Materials werde bei den Kindern jene ?zersetzende Macht des Individualismus? geltend gemacht, der die Menschen für eine lebendige Volksgemeinschaft unfähig mache. Die Methode sei als verderblicher Ballast über Bord zu werfen, da sie die Erziehung des deutschen Menschen behindere. Gesundheitsstammbücher bewiesen, dass die Kinder in den NSV-Kindergärten ?deutsch und gesund? seien; ihre ganze Liebe müsse dem Volk und seinem Führer gehören.[22] Einer Deutung der kindlichen Würde im Sinn kollektivistischer Nützlichkeit, einer Tötung von Menschen als ?Ballastexistenzen und Defektmenschen?[23] hat Maria Montessori nie das Wort geredet. In einem Vortrag in Brüssel im Jahr 1936 während des Europäischen Kongresses für den Frieden hat Montessori zu einer friedenstiftenden Union aufgerufen, zu Konfliktlösungen ohne Gewalt. Kriege seien zu vermeiden; die Erziehung der ?Menschheit aller Nation? richte sich auf das Kind, das reich an Kräften und Sensibilität sei. Die Gesellschaft müsse die sozialen Rechte des Kindes endlich anerkennen und dürfe die Jugend nicht auf den Krieg vorbereiten. Kindheit und Jugend seien vielmehr für den Frieden zu begeistern.[24] Gegen die Entwertung des einzelnen Menschen und der Menschheit richte sich der herrschaftskritische Sinn der Erwürdigung der Starken und der Schwachen. Näher zu deuten ist demnach Montessoris schwieriges Wort: ?Der Weg, auf dem die Schwachen sich stärken, ist der gleiche wie der Weg, auf dem die Starken sich vervollkommnen.?[25]

Clara Grunwald, die nicht weit von hier in einem Vernichtungslager getötet worden ist, hat in ihrem Leben und Sterben die Dialektik von Schwäche und Stärke in einem herrschaftskritischen Sinn vorgelebt. Vervollkommnung der Starken bedeutet, dass diese die Schwächen ihrer Stärke entdecken, sich dem widersetzen, die Schwachen zu beherrschen, und dafür einstehen, die Stärken der Schwachen zu fördern.

Maria Montessori hat von einer ?pädagogischen Schuld? gegenüber dem Ursprung der Menschheit im Kind gesprochen, von der Erfahrung der Schuld gegenüber der Zartheit des frühen Lebens. Die wahre Ehrfurcht vor dem Kind sei nur möglich, wenn man den Egoismus der Älteren, ihre Herrschsucht und ihr Verlangen nach Bemächtigung berücksichtige und wenn im Kind Gott geehrte werde. Wo der Wille Gottes nicht die Führung habe, behandele der Mächtige den schwachen Menschen als Wesen ohne Recht; der Gesetzgeber meine immer nur sein Recht und sei in der Gefahr, in Willkür seine Macht zu missbrauchen. Die Ehrfurcht vor dem Kind verlangt nach Montessori, das Kind zu achten, das in seiner Natur wie in seinem übernatürlichen Wesen unberührt die göttliche Schöpfung offenbart. In der Ehrfurcht vor dem Kind gründet das Recht des Kindes auf Bildung, auf eine volle Entwicklung seiner Kräfte. Von einem Geheimnis in dem Kind aus will Maria Montessori aufzeigen, was der Menschheit insgesamt fehlt. Nur aus der Kindheit heraus entstehe der Mensch ? als ursprünglicher Mensch. Was Kinder betreffe, betreffe die Menschheit. Nur durch das Kind sei die Menschheit zu bessern; es sei der aufbauende Mensch. So stehen nicht seine Schwächen, vielmehr die Schöpfungen des Menschen im Mittelpunkt des Umdenkens, zu dem Montessori auffordert. Verstehende Hilfe in der Entwicklung der schöpferischen Kraft des Kindes ist die Erziehung, die verstanden wird als Beitrag zur Befreiung der ganzen Menschheit. Hier geht es um die Inkarnation des kindlichen Geistes, die einer zartfühlenden Sorge und der Anerkennung der sozialen Rechte des Kindes bedarf.

Montessoris Ehrfurcht vor dem Kind lehrt, dass der Kleinste der Größte ist. Sie folgt hier Johannes, dem Nachfolger des Leidensknechtes[26] und Kinderfreundes, der die frohe Botschaft sprach, dass Er wachse und das Ich abnehmen müsse.[27] Das göttliche Kind ist ein ?leeres Kind?, das in sich die Kräfte zu seiner Selbstbildung birgt. Zugleich ist es in sich ein Erdkind,[28] das mit anderen Kindern zusammenlebt und auf der Erde arbeitet.

Die Hässlichkeit des Atomzeitalters

In seinem Roman ?Eine persönliche Erfahrung? zeigt der japanische Dichter Kenzaburo Oe, dass angesichts der Gefahr der atomaren Selbstvernichtung alle Menschen miteinander verbunden sind. Auch in diesem Roman geht Oe aus von der Geburt eines Kindes mit einem deformierten Schädel. Der Klinikchef fragte den Vater, ob er ?das Ding? erst einmal ansehen wolle. Der Gynäkologe war selber erschrocken und verwirrt darüber, dass er ein ?nicht zu beschreibendes Monster? zwischen den Beinen einer Frau hervorgeholt hatte. Fast wäre der Arzt in ein kicherndes Lachen ausgebrochen gegenüber dem verzagten Vater, als er das Ding medizinisch klassifizierte als eine Gehirnhernie, einen ungewöhnlich seltenen Fall. Auf die angstvolle Frage des hoffenden Vaters, ob denn das Kind ganz normal heranwachsen könne, antwortete der Mediziner mit heftiger und erregter Stimmte, es sei eine Gehirnhernie und man könnte schon von Glück sagen, wenn nach einer Schädeloperation auch nur ein menschliches Wesen von pflanzenhafter Funktion zustande käme. Entgegen der Prognose, es werde bald sterben, lebte das ?Monster-Baby? weiter. An die Kette ihrer Scham gefesselt, entdeckten die Eltern das Unvollkommene des Menschenleibs, seine Gefährdetheit und Zerbrechlichkeit. Ein anderer Gynäkologe sprach von einem unerwarteten Glücksfall; für das Kind selbst und seine Eltern wäre es das beste, das Ding stürbe rasch. Entgegen jedem seltsamen Egoismus sei anzunehmen, das Baby werde weder das Sehvermögen haben noch den Gehör- und den Geruchssinn. Vielleicht eröffne die Autopsie die Möglichkeit, das nächste Kind mit einer Gehirnhernie zu retten. Das Glück sei um so größer, je früher der Tod eintrete. Trotz allem sah der Vater sein hässliches Baby, das ihn mit seinem von Binden umwickelten Kopf an den in der Schlacht verwundeten Apollinaire erinnerte. Auf dem Kriegschauplatz schrie er einen tonlosen Schrei. Der Vater fragte, was denn der Tod eines solchen Kindes, was eigentlich sein Leben sei. Scham und verzweifelte Erbitterung richteten sich der ?Würde des Schwächeren? entgegen. Als das Kind überlebte, entstand in den Eltern ein Gefühl der Freundschaft zu ihm. Das missgestaltete Kind wuchs kräftig weiter heran. Kenzaburo Oe kommt in seinem Roman angesichts der Geburt des Kindes auf einen Atomkrieg zu sprechen. Niemals gebe es ein völlig unfruchtbares Leiden, nicht der Schwächetod des Babys in Afrika, das afrikanische Menschen ein zum Sterben geborenes Kind nennen. Sie alle rufen auf zur Verantwortung, zur Umkehr aus der Krise, zur geduldigen Hoffnung. Konfrontiert mit den Bombenopfern von Hiroshima, wuchs die Angst, dass in der gemeinsamen Welt die für den Menschen existierende Zeit unablässig voranrückte, mit ihr ein verhängnisvolles Schicksal der Menschheit der ganzen Welt. Der Kreuzweg zwischen Leben und Tod weckte in den Erwachsenen und gerade auch aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen in Oe die Frage, ob es nicht Menschen gebe, die sich einen Atomkrieg wünschen. ?Könnte es nicht sein, dass diese schwarzen Seelen, so wie die meisten Menschen ohne besonderen Grund an den Untergang der Menschheit glauben und ihn herbeisehnen??[29]Dieser Suizid-Geneigtheit aber beugt sich nicht die Hoffnung, dass das Kind überlebt, am Leben erhalten wird ? keinesfalls eine für die Menschheit absolut sinnlose Existenz, deren Lebensmöglichkeiten behindert werden durch die Tötungsphantasien seiner Nächsten und die vernichtende Logik des Atomzeitalters.[30]

Selbstverwirklichung in menschlicher Kreativität nach Bogdan Suchodolski

und Adam Schaff

Die Fokussierung auf einen Defekt spiegelt in pädagogischer Form die gesellschaftliche Stigmatisierung der Behinderung wider, eine von einem partikularen medizinischen Modell dominierte Sonderpädagogik. Die negative Zuschreibung ? Orientierung an einem Defekt und Ignoranz hinsichtlich vorhandener Ressourcen ? durchdrang oft die ganze Lebenswelt der als Behinderte diskriminierten Menschen und zwang sie, sich selbst zu behaupten, ein ?Behindertes Selbst? zu entwickeln.[31] Die Defektologie stärkte die gesellschaftliche Benachteiligung und erlaubte erst recht keinen Ausweg aus von Armut und Hoffnungslosigkeit durchzogenen Lebensbedingungen.

Eine ?Pädagogik der Geschädigten?, die auch zu einem Ausschluss sogenannter bildungsunfähiger Kinder aus dem allgemeinen Bildungswesen drängte in der früheren Deutschen Demokratischen Republik entgegen dem Menschenrecht auf Bildung, verträgt sich nicht mit der Demokratisierung der Schulen. In einer von Herabsetzung nicht freien Sprache war von Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen physischen oder psychischen Mängeln die Rede, sogar von schulbildungsfähigen und schulbildungsunfähigen Schwachsinnigen. Der Nutzung defektiver Kinder und Jugendlicher als billige Ausbeutungsobjekte widersprach das in der Verfassung verbürgte Recht auf allseitige Entfaltung der körperlichen, geistigen und sittlichen Kräfte.[32] Dieses Recht verfehlte der Ausschluss geistig behinderter Kinder aus dem Bildungswesen, ?imbeziller und idiotischer Kinder?, wie sie teilweise genannt wurden, schulbildungsunfähiger, gar förderungsunfähiger Geschädigter. Die Ambivalenz ist überdeutlich; solche herabsetzenden Etikettierungen und das Ausschlussverfahren widersprechende Anerkennung einer humanen Verpflichtung gegenüber Menschen mit Behinderung, die nicht ?defektive Kinder? genannt werden dürfen in der Absicht der Aussonderung und der Ausschulung aus der Leistungsschule.  

Dieser Defektologie folgten manche polnischen Pädagogen und Philosophen nicht, gewiss auch nicht Maria Montessori.

Entgegen dem Ausgriff einer den Menschen verfehlenden Defektologie spricht der polnische Pädagoge Bogdan Suchodolski von der Anleitung des Menschen zu ethischem Handeln, zur Teilnahme am Kampf für eine wahrhaft menschliche Welt.[33] Ohne die Beschränkungen und Widersprüche der menschlichen Existenz zu übersehen, hebt er mit Karl Marx hervor, dass der Mensch seine Welt selbst schafft und ihr nicht mehr unterliegt als einer scheinbar fremden und unabhängigen Wirklichkeit (Entfremdung). Bereits Marx habe nachgewiesen, dass sich das Wesen des Menschen in dem historischen Prozess, in dessen Verlauf er die Macht über die natürlichen Bedingungen seines Lebens gewinne und seine gesellschaftliche Welt hervorbringe, bilde und wachse. Die Erziehung des Menschen diene der Vorbereitung auf utopische Zukunft, die Wirklichkeit werden soll. Suchodolski traut dem Menschen zu, tatsächlich ein anderer Mensch zu werden ? mit anderen Menschen. Seine Persönlichkeit bilde sich dadurch, dass sie sich am Aufbau neuer Lebensbedingungen und auch neuer Menschen beteilige. ?Eine Persönlichkeit bildet sich auf dem Weg einer eigenen Tätigkeit, die mit der Tätigkeit anderer Menschen zu Zwecken einer Überwindung alles dessen übereinstimmt, was sie ihres Menschentums beraubt und ihre Gemeinschaft aufhebt.?[34] Enthusiastisch fast stimmt Suchodolski der sozialen Revolution als eine ?Protestaktion des Menschen gegen das entmenschte Leben?[35] zu, die ausgehe von dem wirklichen Individuum. Das Gemeinwesen, gegen dessen Trennung von sich das Individuum sich auflehnt, soll zum wahren Gemeinwesen des Menschen werden, zu seinem menschlichen Wesen. Damit ist auch ausgesprochen, dass es um die Befreiung der Arbeit von den Fesseln der Entfremdung geht, dass die Arbeit nicht ein Mittel im Kampf um das Dasein, nicht eine erzwungene Anstrengung bleiben darf, gegen die als scheinbares Entgelt ein Lohn gezahlt wird. Sie soll beitragen zu einer menschlichen Welt, zum Streben nach jener Menschlichkeit, in der der andere Mensch nicht der Neben-Mensch, nicht die Schranke der Befreiung seines Nächsten und Fernsten bleibt. Die Schwierigkeit der Realisierung dieser Hoffnung nicht leugnend, die mit keiner Diktatur sich einverstanden erklären darf, leitet den großen polnischen Pädagogen. So bestimmt er als eines der zentralen Ziele der Erziehung das Konzept des menschlichen Lebens als Realisierung der eigenen Persönlichkeit im schöpferischen Handeln. Die ?Pädagogik der Persönlichkeit? wird auch bestimmt durch die Expression, die schöpferische Tätigkeit, die ?Selbstverwirklichung der Kreativität?, die nur mit der Selbstverwirklichung des anderen Menschen zugleich anheben kann. Bildung der Persönlichkeit und der Prozess der Kreativität sind miteinander zu verbinden; in der Erziehung geht es so darum, dem Leben eine Gestalt, eine Fülle intensiver Beziehungen zu verschaffen. Die Erweckung des Lebens der Persönlichkeit, die Öffnung des Geistes für die Welt, die Ausbildung der Empfänglichkeit für die zwischenmenschlichen Verbindungen, die Inspiration einer kreativen Unruhe gehören zu den erzieherischen Aufgaben. In jedem Alter, in jeder Situation sieht Suchodolski diese Möglichkeit des schöpferischen Tuns. Sie beschränkt sich nicht auf ihre Bedeutung für die Bildung der Persönlichkeit; zugleich ist sie notwendig für den Aufbau eines menschlichen Zusammenlebens, für die Gestaltung einer sozialistischen Demokratie. ?Die schöpferische Aktivität, die das Element der heranreifenden und sich entwickelnden Persönlichkeit ist, hat zugleich einen hohen gesellschaftlichen Wert … Das schöpferische Leben ist ein Leben, in dem die Freiheit des Menschen in seinem persönlichen Anteil an der Entwicklung der Gesellschaft und der Zivilisation zum Ausdruck kommt.?[36] Von daher stelle ich die Frage, ob Suchodolskis Hoffnung auf die Möglichkeit, alle schöpferischen Kräfte, die für das Wohl des Gemeinwesens und für das Glück des Menschen wichtig sind, hervorleben zu können, in Verbindung gebracht werden kann mit Maria Montessoris Pathos der die Würde des Kindes fördernden Arbeit, mit ihrer Sorge um die Schwächeren und die von ihr aufgezeigten Wege der Selbst-Stärkung mit den anderen Menschen.[37]

Der polnische Philosoph Adam Schaff, der sich beteiligt hat an der kommunistischen Untergrund-Bewegung gegen das Regime des Nationalsozialismus, hat sich ebenfalls der Frage zugewandt, wie die Bedingungen für das Glück und die volle Entwicklung des Menschen geschaffen werden können. Die Rebellion gegen gesellschaftliche Missstände, gegen Armut, Ausbeutung, Unterdrückung, gegen das Menschen auferlegte Leiden leitet seine Philosophie des Menschen. Seine Hoffnung geht auf die Überwindung des Elends, das Menschen einander zufügen, das ihnen zugleich aufgeherrscht wird. Gemäß jenem radikalen Humanismus, den er auch bei Karl Marx entdeckt, ist das Individuum die werbende Ganzheit seiner sozialen Beziehungen, ein Wesen, das in seine Gesellschaft eingebunden ist und sie zugleich kreiert. Schaffs Philosophie des Menschen stellt eine Theorie der gesellschaftlichen Entwicklung und der praktischen schöpferischen Existenz des Menschen zugleich dar.[38] Diese emphatische Philosophie sucht nach der Schöpfung neuer Wege hin auf ein menschliches Leben in glücklicher Koexistenz.

Boguslaw Sliwerski plädiert für eine Demokratisierung und Dezentralisierung des Bildungswesens, für mehr Selbstverwaltung und Autonomie jeder Schule wie auch jedes einzelnen Lehrers. Die schöpferischen Lehrkräfte sollen sich befreien können von der autoritär-sozialistischen Pädagogik. Gefordert wird der ?Übergang von der autoritären Herrschaft über die sozialistische Gesellschaft im überrechtlichen Staat zum Staat mit Demokratie- und Rechtsordnung?. Entgegen einem repremierenden obrigkeitlichen kommunistischen Erziehungssystem geht es Sliwerski um Raum für die schöpferische Freiheit, um Selbstverantwortung der Lehrenden, um persönliche Autonomie in einer Bürgergesellschaft. Die Abkehr von einem aufgezwungenen kommunistischen Erziehungssystem (die Idee des Kommunismus und Zwang widersprechen einander meiner Sichtweise nach), von einer unterdrückenden Obrigkeit sollen Erzieher und Kinder sensibilisieren für ein Leben in der Wahrheit und den Raum öffnen für die schöpferische Freiheit. Mit Jozef Tischner werden eine Ethik der Wahrheit gesucht, das Recht auf Selbst- und Anderssein, die Befreiung aus einem bürokratischen Machtapparat. An die Stelle der übergeordneten Bildungsbürokratie soll eine Schule der Freude, der Lebensfreude, an die Stelle der Zwangserziehung die Vertiefung der Wahrheit treten. Nach einem ?quasitotalitären Bildungssystem?[39] sollen Autonomie, Kreativität, Lernfreiheit ?den Weg von der Versklavung zur Freiheit? führen, geleitet von dem Recht auf Gedankenfreiheit und dem Recht auf selbstbestimmtes Lernen.

Krummes Holz und menschliche Würde

Angesichts des ganzen ?Heeres von Mühseligkeiten? und in der Erkenntnis, dass der Mensch aus krummem Holz geschnitzt ist[40] und nicht ein Ebenbild Gottes darstellt, hat Immanuel Kant gleichwohl dem Menschen zugemutet, sein Gekrümmtsein und ?werden zu überwinden. Die Idee der Würde eines vernünftigen Wesens besteht darin, dass es keinem Gesetz gehorcht als dem, dass es sich zugleich selbst gibt. Würde gehört zum Mensch-Sein; die Würde bezeichnet nicht die ideale Größe und Erhabenheit des Menschen, sondern verlangt die Achtung des Menschen in seinem unantastbaren Eigen-Sein. Die Unantastbarkeit der Würde deutet zugleich auf das Verletzbare und Verwundbare des konkreten Menschen.[41] Es geht nicht um ein allgemein-unbestimmtes Dekret von Menschlichkeit, es geht um die konkrete Mitmenschlichkeit, die Mitmenschlichkeit für alle.[42] Insofern kann der Begriff der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben doch zu Missverständnissen führen: Kein Gesetz darf festlegen und bewerten, dass ein Mensch teilhaben darf am Zusammenleben in der Gesellschaft; vielmehr sind wir primordial immer schon mit anderen Menschen verbunden und auf sie angewiesen. Auch der Verworfene, auch der Ungestaltete ist, was ich bin. ?… Du bist darum doch mein Gesell und mein Bruder.?[43]

Die menschliche Würde der Förderbedürftigen achtend, begnügt der Heilpädagoge Otto Speck sich nicht damit, die Achtung der Menschenwürde als selbstverständliches Grundrecht anzusehen, als meinen Anspruch gegenüber anderen Menschen. Speck versteht die Achtung des Anderen als unbedingte Sorge um ihn und für ihn; er spricht von dem Prinzip der Achtung der Würde des Anderen, die konstitutiv für das Zusammenleben aller Menschen sei. Von Immanuel Kant, jüdischen und christlichen Grunderfahrungen angesprochen, hebt Speck hervor, die Würde stehe jedem Menschen zu. Auf sie als unverlierbare und unverfügbare können nicht verzichtet werden. Ein menschenwürdiges Leben wird hier als ein mitmenschliches Leben gedacht und erfahren; anders gesprochen: Die Menschenwürde inkarniert sich in dem anderen Menschen. Speck nimmt so jene Ethik auf, die Emmanuel Levinas entworfen hat: Die Würde ist die des anderen Menschen; sie geschieht und wird gelebt zwischen uns, in einer Beziehung, die keinerlei Bemächtigung erlaubt. So deutet der Pädagoge die Gottebenbildlichkeit des Menschen in einem christlichen Verständnis nicht als statischen Wesensvollzug, sondern als Beziehung des Geschöpfes auf seinen Schöpfer hin, als in der Tat zu bewährendes Beziehungsgeschehen. Von einer ursprünglichen Verbundenheit her, die sich in der Begegnung, im Dialog ereignet, wird jenes Verständnis menschlicher Würde, das verringert wird auf Selbstbesitz, erhabene Selbstgenügsamkeit, transzendiert. Die menschliche Würde ereignet sich gerade darin, dass Ich dem Du, dem anderen Menschen, den Vortritt lasse, dass zusammen mit dem anderen Menschen meine Würde verwirklicht wird. Seine Verletzbarkeit, seine Hilfsbedürftigkeit, seine Tötbarkeit fordern mich heraus, für die Wahrung der Würde des anderen Menschen einzustehen. So fängt die Würde im Anderen an, wird deutlich in einem Geschehen der Gegenseitigkeit, in dem wir einander aufhelfen zu deiner und meiner je-eigenen Würde ? zwischen uns.[44]

Ein neues Menschen-Recht 

Am 13. Dezember 2006 hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen ein neues Menschenrechts-Übereinkommen (Convention on the Rights of Persons with Disabilities) verabschiedet. In den ?General Principles? wird die menschliche Würde eng verbunden mit der individuellen Autonomie und der Unabhängigkeit des einzelnen Menschen (?person?). Der Zielsetzung der vollen Inklusion der Menschen mit Behinderungen (?Persons with Disabilities?), der Achtung gegenüber ihnen als gleichen Bürgern und der Begegnung mit ihnen als Teilhabern an allen Phasen des Lebens folgt die Verpflichtung, die Unterschiedenheit der Menschen zu respektiven und die Behinderung zu akzeptieren als ?part of human diversity and humanity?. Zu der Begründung dieser Konvention gehört der politische Gedanke, Behinderung in dem Kontext internationaler, ja weltweiter Menschenrechtspolitik zu rücken. In den ersten Jahrzehnten des Bestehens der Vereinten Nationen wurde Behinderung vorwiegend als medizinische oder sozialpolitische Problematik verstanden, die entsprechend auch der Kommission für soziale Entwicklung oder der Weltgesundheitsorganisation zugeordnet wurde. Fragen der Prävention, der Rehabilitation und der sozialen Sicherheit wurden geöffnet, später erst mit dem Weltaktionsprogramm für behinderte Menschen von 1982 die Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung für die Behinderten-Dekade proklamiert. In einem mehrjährigen Prozess wurde ein Paradigmenwechsel in der internationalen Menschenrechtspolitik eingeleitet: Der Wechsel von einer isoliert-medizinischen Betrachtung zu einer in dem Menschenrecht gründenden Behindertenpolitik. In der neuen Konvention wird der Blick auf jene Situationen geschärft, in denen die besondere Verletzbarkeit von Menschen mit einer Behinderung deutlich wird. Ein nur selektiver Schutz durch Menschenrechte soll überschritten werden hin in Richtung auf ein universales Schutzniveau.[45] Zu diesem Prozess der Universalisierung, an dem auch Montessori-Pädagoginnen und Montessori-Pädagogen sich beteiligen sollten, gehört die Entdeckung von Verletzungssituationen, wie sie in dem Bericht des Sonderberichterstatters Leandro Despouy versucht wird. Der Sonderberichterstatter legt dar, dass Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Krieg, unmenschliche Strafen (z. B. Amputationen), bestimmte traditionelle Praktiken wie die Genitalverstümmelung bei Frauen, medizinische Experimente an Menschen Ursachen für viele Ausprägungen von Behinderungen sind. Als Verletzungen werden aufgeführt physische Gewaltakte wie Misshandlungen, Zwangssterilisationen oder sexuelle Gewalt gegen Frauen in bestimmten Einrichtungen. Tendenzen der Ghettoisierung und Separation in Heimen und Sondereinrichtungen werden als ?strukturelle Menschenrechtsverletzung? wahrgenommen und kritisiert. Der Bericht sieht das Lebensrecht von Menschen mit Behinderung, von in ihren Lebensmöglichkeiten gehinderten Menschen in vielen Ländern durch neue technologische Entwicklungen, durch eine ungenügende medizinische Versorgung gefährdet, zumal tangiert durch politische und ökonomische Systeme aufgezwungener Armut. So ist eine Vielzahl von Diskriminierungen aufzudecken, schärfer gesprochen: von Verachtung und Herabsetzung von Menschen mit Behinderung, Erniedrigungen, die gegen das Fundamentale im Menschenrecht auf Gleichheit verstoßen.[46]

Wenn auch in der Überschrift der Konvention von ?Persons with Disabilities? gesprochen wird, so wäre es treffender, von der Würde und den Rechten von Menschen zu reden, die an dem gesellschaftlichen Leben teilhaben und an seiner Veränderung mitwirken wollen. Eher sollte das Übereinkommen also sich auf Menschen beziehen mit dem Recht auf Teilhabe, auf ?Persons with the Right to participation? und mit dem ?Right to education?. In dem Übereinkommen werden gegen ihre Partizipation sich stellende Barrieren erwähnt; so ist das Recht auf volle Partizipation und auch das Recht auf Bildung zu beziehen auf Fortschritte in der menschlichen, sozialen und ökonomischen Entwicklung der Gesellschaft, wobei das Übereinkommen selber ökologische Fragen kaum erwähnt. Aufgeführt wird als schwere Barriere die auferlegte und aufgezwungene Armut. So wird als rechtlich verbindliches und verpflichtendes Ziel auch dieses Übereinkommen zur Überwindung der Armut proklamiert, die Ausgleichung des negativen Einflusses der Armut auf die Lebensbedingungen der Menschen mit einer Behinderung.

In sich hält das Menschenrechts-Übereinkommen das gemeinsame Wissen um die Verletzbarkeit aller Menschen, den Aufruf zum Mitleiden und zur Entwicklung des Gefühls der Zusammengehörigkeit aller Menschen. Bekräftigt werden ein globales Aufeinander-angewiesen-Sein und Füreinander-verantwortlich-Sein in gegenseitiger Erwürdigung.[47]Schon Immanuel Kant richtete sich in seiner Philosophie der menschlichen Autonomie gegen die verächtliche Vorstellung von einer unbedingten Nichtigkeit des Menschen. Der Mensch eigne sich selbst die Würde zu, vermöge sie für sich selbst und für die Menschheit zu erringen. Alles, was Menschenantlitz trägt, soll in Würde leben; unmündige, kranke, in ihren Lebensmöglichkeiten gehinderte Menschen sind nicht würdelos. Angesichts von Auschwitz und Hiroshima ist die Begrenztheit des Autonomie-Prinzips unübersehbar geworden; diese Schranke bestätigt aber geradezu die Anerkennung der Würde als des Prinzips der Menschlichkeit. Da Vernunftbegabtheit, Selbstbemächtigung und Willensfreiheit allein die menschliche Würde nicht mehr kennzeichnen, sondern deren Verletzlichkeit und Antastbarkeit unübersehbar geworden ist, muss die Achtung der menschlichen Würde verbunden werden mit der Solidarität der Menschen untereinander und zueinander. Angesichts von Menschenvernichtung und Menschenverachtung sind alle Menschen aufgerufen, einander zu achten, einander ihre menschliche Würde zuzuerkennen. So wendet Avishai Margalit gegen jene ?Eigenschaftsrassisten?, die, oft bei den ?geistig Behinderten? beginnend, zu Angehörigen anderer Kulturen voranschreiten und sie einer staatlich erzwungenen Euthanasie unterwerfen. ?Die geistig Behinderten wurden als erste ins Gas geschickt, und die bei ihrer Tötung entwickelten Methoden kamen später in Vernichtungslagern systematisch zur Anwendung.?[48] Menschen dürfen nicht gedemütigt werden, nicht Grausamkeiten unterworfen, nicht Erniedrigungen ausgesetzt, nicht als Untermenschen verachtet. Wenn wir auch nur einem einzigen Menschen seine Würde absprechen, wären wir blind nicht allein für die Würde aller anderen Menschen, sondern sehen auch unsere eigene Würde nicht mehr. In einer Weltrechts-Ordnung bleibt zu bedenken, dass Würde und aufrechter Gang dem Menschen nicht gegeben sind, keine vorgesellschaftlichen Daten bilden, dass der Geist der Erwürdigung und der Geschwisterlichkeit allenthalben von Hunger, Elend, Kriegen, damit verbundenen Formen der Behinderung der Lebensmöglichkeiten bedroht sind.

Dennoch: Die Fragilität der menschlichen Würde kann neu erfahren werden in den Begegnungen mit leprösen Menschen und den in Armut lebenden Bettlern ? so wie die Montessori-Pädagogik auch entstanden ist in einem Stadtteil äußerster Verarmung. Die antastbare Würde des Menschen ist nach Georg Picht die ?Achse humaner Existenz?, die jederzeit bei dem Erziehen auf dem Spiel steht. Wo immer die Menschenwürde verletzt wird, begegnet uns die destruktive Gegenwendung zur Erziehung. Erziehen heißt demnach, Menschenwürde zu pflegen.[49] So gehört zu der Konkretisierung der menschlichen Würde, dass in Artikel 24 des Menschenrechtsübereinkommens verankerte Recht auf inklusive Bildung, auf Bildung in einem inklusiven Bildungssystem, ein Recht auf lebenslange Fortbildung. Jeder Mensch, jedes Kind wird als bildungsfähig geachtet; er darf nicht aufgrund seiner Behinderung aus dem Bildungssystem ausgeschlossen werden.[50] Mit Artikel 24 des Übereinkommens wird das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung anerkannt. Dieses Recht ist ohne Diskriminierung und auf der Basis gleicher Chancen durchzusetzen. Alle Unterzeichner der Konvention haben für die Gewährleistung eines ?inklusiven Bildungssystems? auf allen Ebenen Sorge zu tragen. Menschen mit Behinderungen sollen Zugang zu einer inklusiven, qualitativ hochwertigen und unentgeltlichen primären und sekundären Bildung erhalten, wobei die gleichberechtigte Verbindung mit den Menschen in ihren Gemeinden hervorgehoben wird. Gegen Tendenzen der Selektion und Segregation soll der Aufbau von gesellschaftlichen Verhältnissen sich richten, in die alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit einbezogen werden sollen. An diesem Gemeinwesen haben Menschen mit unterschiedlichen Benachteiligungen teil. Die Begründung des Menschenrechts auf Bildung findet sich nicht nur in der Autonomie, der Selbstbestimmung und Selbstgesetzgebung des einzelnen Menschen; vielmehr sind Autonomie und soziales Bezogensein zusammen zu denken.[51] Zu einer menschlichen Bildung gehören die Einübung des advokatorischen Handelns, der Schutz der Schwächeren, Solidarität und Achtsamkeit, die Anerkennung der menschlichen Würde, die sowohl um die Autonomie des Menschen als auch um seine Verletzbarkeit weiß.

Zu dieser Bildung gibt auch die Montessori-Pädagogik ihren Beitrag, wobei der Horizont der Bildung überschritten wird durch die Aufforderung zur Humanisierung des menschlichen Zusammenlebens. Diese Anstrengung überschreitet eine menschenrechtliche Ebene und zeigt zugleich ein grundlegendes Ethos der Menschenrechte: Wir sind aufeinander angewiesen, zu uns selbst zu gelangen, und leben in dem Zusammensein mit anderen Menschen. Würde entsteht so erst in der Verbindung zu anderen Menschen und zu dem Kosmos.

Menschenrecht auf Gleichheit und Heterogenität

In seiner Antrittsenzyklika ?Redemptor Hominis? hat der gestorbene Papst Johannes Paul II. einen ?Gesamtplan eines wirklich menschenwürdigen Fortschrittes? angemahnt und angesichts der Gefahr einer unvorstellbaren Selbstzerstörung der Menschheit diese Frage gestellt: ?Wird der Mensch als Mensch im Zusammenhang mit diesem Fortschritt wirklich besser, das heißt geistig reifer, bewusster in seiner Menschenwürde, verantwortungsvoller, offener für die Mitmenschen, vor allem für die Hilfsbedürftigen und Schwachen, und hilfsbereiter zu allen??[52] Von dieser Frage aus werden verschiedene Verletzungen der Menschenrechte deutlich, so wenn wir Zeugen von Konzentrationslägern, von Gewalt und Torturen, von Terrorismus und vielgestaltigen Diskriminierungen werden.

Eine Ausprägung der Diskriminierung trifft Menschen mit Behinderungen, eine tiefgehende Verletzung des Prinzips der Gleichheit.

Die emphatische Musik des Menschenrechts der Gleichheit geht über die geschichtlich errungene Gleichheit vor dem Gesetz und über ein Verständnis von Gleichheit als Verbot der Willkür hinaus. Die Forderung nach Gleichheit in Freiheit erschöpft sich nicht in einer bloßen Gleichheit der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Vielmehr deutet die allen Menschen in gleicher Weise zukommende Würde auf die Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit je-dieses Menschen. Insofern steht die Unterschiedenheit der Menschen nicht im Widerspruch zur Gleichheit. Grunderfahrung der ausstehenden und werdenden Menschlichkeit ist die Anerkennung des anderen Menschen in seiner und ihrer Andersartigkeit. So geht es um das Recht, miteinander anders werden zu können. Erst die Anerkennung ermöglicht, dass behinderte und nicht-behinderte Menschen zusammenleben und ihre Differenzen fruchtbar austragen in der Weise, dass sie voneinander und miteinander ein menschliches Leben lernen.[53] Es geht um das Recht des Differenten, die wechselseitige Anerkennung in der Achtung des Unterschiedenseins. Darin bleiben auch bewahrt die Verletzbarkeit und gleichzeitige Unantastbarkeit der menschlichen Würde, die nicht geknüpft werden darf an spezielle Fähigkeiten wie Bildungsgrad, Leistung, nicht an Zugehörigkeit, nicht an äußerliche Gestalt. Das menschliche Recht hebt hervor die menschengemäße, die menschengerechte Gleichheit der Freiheit. Weltweite Kämpfe für die Überwindung von Diskriminierungen bringen den grundlegenden Sinn des Rechtsgedankens der Gleichheit an das Licht, auch den der positiven Gleichheit: die Verwirklichung der freien Entfaltung für alle Menschen und für jeden einzelnen. Die Gemeinsamkeit im Blick auf die menschliche Würde stimmt mit der Unterschiedenheit der Menschen zusammen. So lässt sich sagen, dass Gleichheit den ergänzenden Pol zur Differenz bildet und Integration (bis hin zu Inklusion) das labile, dynamische Gleichgewicht zwischen diesen Polen.[54] In einer Pädagogik der Vielfalt ergänzen einander Gleichheit und Differenz; dabei geht es um den Primat von Gemeinsamkeit bei je-personaler Unterschiedenheit, um die Anerkennung einer ?egalitären Differenz?[55] ? eines nicht nur pädagogischen, sondern zugleich rechtlichen Gedankens. Über das Recht hinaus bewegt sich die Suche nach einer nicht-justitiablen Freude an der Unterschiedenheit in einem nicht-harmonistisch gedachten Miteinander der Menschen. Wenn das Menschenrecht der Gleichheit als Protest gegen die Entrechtung Benachteiligter und Unterprevilegierter, Diskriminierter gedacht wird, so umfasst sie die ökonomische Gleichheit und geht darüber hinaus auf die Überwindung der Unterschiede zwischen den Reichen und den Armen. Im Bund mit der Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit (Geschwisterlichkeit) bedeutet die menschenrechtliche Gleichheit gleichen dessen, was Menschenantlitz trägt, insofern auf die Einheit der Menschheit verweisend, das Recht des anderen, das Recht des nächsten.[56] Den Hintergrund des Menschenrechts der Gleichheit bildet die Grunderfahrung der Einheit des Menschen mit dem Menschen, der Einheit freilich angesichts des wechselseitigen Unterschiedenseins.

Eine Pädagogik der Offenheit für Heterogenität unterstellt das Prinzip der homogenen Jahrgangsklasse einer deutlichen Kritik und unterwirft Konzeptionen offenen Lernens und Zusammenlebens, in denen Behinderte und Nichtbehinderte und Angehörige verschiedener Kulturen und Subkulturen miteinander lernen, ohne ihre persönlichen Bildungswege und ohne ihre kulturellen Zugehörigkeiten aufgeben zu müssen. Öffnung auf Anerkennung der Heterogenität hin geht auf das weghafte Ziel zu, dass Freiheit immer auch die Freiheit des anders denkenden und anders lebenden Menschen ist, richtet sich auf ein Miteinander ohne Hierarchie und Unterordnung zwischen den Schülerinnen und Schülern, allen Mitgestaltern der Schule. Diese Erziehung zur Mündigkeit soll ermutigen zu einem nichthierarchischen Miteinander der Verschiedenen.

Auch Jutta Schöler betont, dass Kinder eine Lernumgebung brauchen, in der sie in sozialer Verantwortung lernen, menschliches Leben zu respektieren und Anderssein nicht auszugrenzen. Würden in einer Schule für alle Kinder die ?Individualität? und die persönliche Biographie eines jeden Kindes geachtet, wäre eine Klassifizierung einzelner Kinder als Kinder mit Behinderung nicht mehr notwendig.[57] Eine Integrations- und Inklusionspädagogik kritisiert jeden einebnenden Universalismus und spricht sich aus für eine Bildung für alle, für die Herausbildung der Freiheit in und zur Verschiedenheit. Bildungswege in Integrationsklassen nähren sich von der Utopie der gleichberechtigten Bildung aller Kinder, von Schul- und Lebenserfahrungen, in der ihre Vielfalt und ihre Personalität als anregend und fördernd erfahren werden können. Das gleiche Recht auf die Verschiedenheit schließt die Freiheit aller Schülerinnen und Schüler zur Entfaltung ihrer Stärken und zur Akzeptanz ihrer Schwächen mit ein.

In der Mischung von Alters- und Jahrgangsstufen, in dieser Weise des sozialen Lernen, für das Maria Montessori eingetreten ist, entsteht eine Bewegung zwischen den Kindern: Sie lernen, auf den Schwächeren zu achten, seine Bedrängnis wahrzunehmen.[58]

Gemäß dem grundlegenden Sinn der menschenrechtlichen Überlegungen versteht Maria Montessori Gerechtigkeit nicht als sich auferlegende Gleichbehandlung aller Kinder, nicht als das Gleichschleifen ihrer Unterschiede, sondern als die Achtung gegenüber persönlicher Verschiedenheit und gegenüber unterschiedlichen Bildungswegen. In einer ?Gemeinschaft Verschiedenartiger? (Michael Klein-Landeck) wird deutlich, dass Behinderte nicht nur die anderen sind, dass kein Mensch ?nur behindert? ist. Alle sind wir miteinander verschieden und anerkennen uns in diesen Unterschiedenheiten ? im Sinn einer korrektiven Gerechtigkeit. So sind Schulen in freier Trägerschaft nicht gefesselt an die Gliederung der entsprechenden staatlichen Schulart; ihre Freiheit richtet sich auch darauf, Altersstufen übergreifenden und fächerverbindenden Unterricht zu geben.[59] Es sei also bekräftigt, dass die Integrations-/Inklusions-Diskussion in rechtlicher Sicht in der gleichen Menschenwürde gründet, in dem Menschenrecht der Gleichheit und in dem Menschenrecht auf Bildung.

In ihren Anstrengungen für den Aufbau einer Kindergesellschaft wendet sich Maria Montessori dagegen, dass in der Schule das ?Band des sozialen Lebens? zerrissen wird. Wenn in den meisten Schulen eine Trennung nach den Geschlechtern und dann nach dem Alter erfolge, so sei das ein grundlegender Fehler: Es sei eine künstliche Isolierung, die die Entwicklung des sozialen Gefühles verhindere. In den Kindern entdeckt Montessori Liebe, Bewunderung, eine wirkliche Brüderlichkeit. In den alten Schulen, den Schulen des Wettstreits, entstünden Neid, Hass und Demütigung. Das intelligentere Kind werde eitel und bekomme die Macht über die anderen Kinder, während sich in Montessori-Schulen Ältere als Beschützer der Jüngeren fühlen sollen. Auch an den Schulen soll sich Brüderlichkeit entwickeln, Begeisterung an dem Fortschreiten der Selbstbildung miteinander. Den Schwachen sei durch Trost und Zuspruch, mutig zu werden, zu helfen. Über die Schule hinaus betrachtet es Montessori als großen Schritt in der Weiterentwicklung von Menschen, wenn die Gesellschaft den Schwachen und den Armen helfen würde, statt sie zu unterdrücken. Keineswegs sei es ein Fehler, den Schwachen und Unterlegenen Mut zu geben; vielmehr sei das ein Beitrag zur Vermenschlichung der gesamten Gesellschaft. Gerade in Kindern werden diese Gefühle den Erwachsenen vorgespiegelt. Begeisterung aneinander und Entfaltung von Brüderlichkeit (Geschwisterlichkeit) sollen die Schulen kennzeichnen ? freilich nicht nur die Schulen: ?Unter den Kindern besteht eine offensichtliche Form von Brüderlichkeit, die auf einem höheren Gefühl beruht, das Einheit in der Gruppe schafft. … So wie sich die Größeren den Kleineren zuwenden und umgekehrt, so werden die normalisierten Kinder von den Neuankommenden angezogen und diese wieder von den bereits eingewöhnten.?[60]

Zu dieser Brüderlichkeit gehört zentral auch die Sorge um das benachteiligte Kind.

Die Montessori-Pädagogik ist so gezeichnet von der Solidarität mit den Schwächeren, von der Anerkennung der Menschlichkeit des anderen Menschen, von den Gefühlskräften der Empathie und der schöpferischen Achtung des Anderen, die sich mit meiner Selbstachtung verbindet.

Zwei menschliche Menschen: Dostojewskis ?Idiot? und Frédéric Chopin

Zu oft schon sind Begriffe wie Integration und Inklusion niedergeschrieben worden. Die Versuche, die Überschreitung des Integrations-Denkens durch den Gedanken der Inklusion in ihrer Notwendigkeit zu begründen, sind ungezählt.[61]Ich schlage aber vor, einen Denkweg zu öffnen, der sich nach einer neuen Sprache sehnt. Dieses neues Sprechen scheut nicht davor zurück, sich inspirieren zu lassen von dem Gedanken eines Dichters, des russischen Dichters Dostojewski. Ebenfalls lasse ich mich anregen von politischen Proklamationen, so von den Forderungen des ?Europäischen Jahrs der Menschen mit Behinderung?, als welches das Jahr 2003 ausgerufen wurde.[62] Gleiches Recht und Gleichbehandlung im Bereich der Bildung werden hier gefordert, freilich in einer allzu vertrauten Sprache.

Dostojewski soll in seiner dichterischen Sprache unmittelbar gehört werden. Fürst Myschkin, der Idiot, leidet, medizinisch klassifiziert, an einer Epilepsie. Wer auf den tieferen Grund des epileptischen Zustands sieht, kann in bestimmten Augenblicken ein ?Höheres? sein, eine höhere Ruhe, helle harmonische Freude und Hoffnung in diesem Menschen entdecken. Über sich nachdenkend, findet der Idiot ein blitzartiges Aufleuchten eines höheren Selbstgefühls, ein Aufhören des normalen Zustands, einen Durchbruch durch diesen. Mag dies auch als Kranksein bezeichnet werden, so bleibt, dass der Augenblick dieser Empfindung, im gesunden Zustand betrachtet und in das Gedächtnis zurückgerufen, ?sich als im höchsten Grade harmonisch und schön erweist und ein bis dahin nie gekanntes Gefühl der Fülle, des Gleichmaßes, der Versöhnung und des Beigeisterten, an ein Gebet erinnernden Aufgehens in die höchste Synthese des Lebens?[63] ergibt. Diese höhere Synthese des Lebens entsteht in einem schwachen Menschen, der an Don Quijote, den Ritter von der traurigen Gestalt, erinnert.[64] In dem berühmten Roman Dostojewskis wird eine menschliche Grunderfahrung deutlich: In dem gebrechlichen Menschen entsteht eine ihm eigene Fülle, eine fragile Ganzheit, eine niemals abgesicherte und vollendete Integrität, eine, die des anderen Menschen bedürftig ist. Von hier aus ist ein ?Diesseits von Integration und Inklusion? zu denken ? in einer anderen Sprache. Die Notwendigkeit unterschiedener Worte sollte mit dem Blick auf den russischen Dichter betont werden.

Allseits ist bekannt, dass in großer Sensibilität bereits der dreijährige Frédéric Chopin seine Melodien auf dem Klavier zusammensuchte, eigene kleine Stücke zu komponieren begann. Aus seiner schwächlichen Konstitution heraus verlangte er mit großer Willenskraft und Zähigkeit sich seinen Weg der Musik ab, erregt durch den Enthusiasmus der Entdeckerfreude. ?Wenn Chopin als Erwachsener im Alltag nur geringe Aktivität entwickeln sollte (auch vor Beginn seines tückischen Leidens), dann nicht zuletzt deshalb, weil er seit seiner Kindheit alle Energien auf das Instrument und die Musik konzentrierte. In der Kunst fand er zu jenem Beharrungsvermögen, das ihm das Leben versagte.?[65]Zugleich setzte seine zarte und schwächliche leibliche Konstitution dem Kind enge Grenzen; sein Leben war von Enthusiasmus und verborgener Angst zugleich von Anbeginn an gehalten. Das Kind kränkelte; der magere Chopin blieb Zeit seines Lebens eine ?leibarme Erscheinung?.[66] Im Rahmen einer Musikalischen Akademie im Kärntnertor-Theater gab Chopin sein Wiener Debüt mit seinen Mozart-Variationen und einer freien Phantasie über das polnische Volkslied ?Chmiel? (Hopfen). Seine körperliche Schwäche versuchte Chopin zu verbergen unter der undurchdringlichen Heiterkeit einer stolzen Resignation.[67] Die Verletzbarkeit wurde mit einem heroischen Willen umgeben, der bei Chopin zeitweilig auch umbrach in einen Hass auf all die Gesunden, die ihn umgaben. Den Weg seiner Passion versuchte er für sich erträglich zu gestalten, in dem er zu trotzigen Worten fand: ?Ich habe so viele jüngere und kräftigere Menschen, als ich es bin, überlebt, dass ich mir vorkomme, als sei ich ewig?.[68] Chopins Entschlusskraft wird zugleich so schwach ausgebildet beschrieben wie seine Konstitution. Der Zögerer gestand seinem Freund Jan Matuszynski, er sei das unentschlossenste Geschöpf von der Welt. Aus seiner schwachen Leiblichkeit heraus schlug Chopin den Funken seiner Balladen und Phantasien, so die Polonaise-Phantasie As-Dur, Opus 61 (1846). George Sand erkannte, dass Chopin nur Musiker war, nichts als Musiker und dass sein Geist sich nur in Musik ausdrücken konnte. Aus seiner schmächtigen Statur brachte er die Kreativität seiner Musik hervor, die ?akustische Natur der Seele?.[69]

In diesen beiden menschlichen Menschen blitzt jene Grundgestalt auf,[70] die aus ihrer Schwäche den Funken eigener Stärke schlägt.

Rechtsanwalt und Diplom-Pädagoge

Prof. Dr. Köpcke-Duttler

Bernhard-Fischer-Straße 8 97340 Marktbreit

Tel. und Fax: 09332 / 592512

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[1] George Eisen, Spielen im Schatten des Todes. Kinder und Holocaust, München / Zürich 1993, S. 161; s.  Ulrich Heimlich, ?Iberlebn? ? Die Bedeutung des Spiels in der Pädagogik der Achtung bei Janusz Korczak

[2] in: Karl Dedecius (Hrsg.), Ein Jahrhundert geht zu Ende. Polnische Gedichte der letzten Jahre, Frankfurt 1984, S. 103. ? ?Wunderbar. Als Mensch unter Menschen zu leben, ist etwas Wunderbares, auch wenn wir wissen, zu welchen Gemeinheiten und Verbrechen der Mensch imstande ist.? (Czeslaw Miłosz, Mein ABC, München / Wien 2002, S. 172)

[3] Hartmut Sautter / Ursula Stinkes / Rainer Trost (Hrsg.), Beiträge zu einer Pädagogik der Achtung. Prof. Dr. Ferdinand Klein zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2004, S. 116; s. a. D. Janowski, Die Tat kehrt zum Täter zurück, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 1998, S. 247 ? 271

[4] Ferdinand Klein, Janusz Korczak, in: Rüdiger Grimm (Hrsg.), Selbstentwicklung des Erziehers in heilpädagogischen Aufgabenfeldern, Luzern 1998, S. 40

[5] ebd. S. 42

[6] s. Arnold Köpcke-Duttler / Armin Müller / Martin Schuster (Hrsg.), Maria Montessori und der Friede, Freiburg 2007

[7] Klein, Janusz Korczak. Sein Leben für Kinder ? sein Beitrag für die Heilpädagogik, Bad Heilbrunn 1997

[8] Korczak, Tagebuch aus dem Warschauer Ghetto 1942, Göttingen 1992, S. 117

[9] Korczak, Von Kindern und anderen Vorbildern, Gütersloh 1979, S. 138

[10] Korczak, Das Recht des Kindes auf Achtung, Göttingen 1973, S. 37; s. Klein, Janusz Korczak (1878 ? 1942), in: Maximilian Buchka / Rüdiger Grimm / Ferdinand Klein (Hrsg.), Lebensbilder bedeutender Heilpädagoginnen und Heilpädagogen im 20. Jahrhundert, 2. Aufl. München 2002, S. 159 – 174

[11] Anna Mieszkowska, Die Mutter der Holocaust-Kinder. Irena Sendler und die geretteten Kinder aus dem Warschauer Ghetto, München 2006, S. 186

[12] ebd. S. 258

[13] Micha Brumlik, Die Dialektik der Emanzipation, in: Jahrbuch für Pädagogik 2005, S. 61; s. Arnold Köpcke-Duttler, Auschwitz und Hiroshima, in: Forum Pazifismus 2006, S. 36 ? 37; s. a. Max Horkheimer, Die Juden und Europa, in: Gesammelte Schriften, Band 4, Frankfurt 1988, S. 330

[14] Ellen Key, Das Jahrhundert des Kindes, Weinheim / Basel 1992, S. 29 f.; H.-C. Harten, Pädagogik und Eugenik im ?rassenhygienischen? Diskurs vor 1933, in: Paedagogica Historica 1997, S. 765 – 800

[15] Martin Breitbarth, Die Wechselbeziehungen zwischen geistiger Minderheit und sozialem Elend, in: Die Hilfsschule 1915, S. 236 ? 246; S. 259 – 264

[16] Die näheren Quellen finden sich in Sieglind Ellger-Rüttgardt, Geschichte der Sonderpädagogik, München / Basel 2008, S. 138 f.

[17] Christoph Sachße / Florian Tennstedt, Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus, Stuttgart 1992; s. Thomas Kuczynski, Brosamen vom Herrentisch, Berlin 2004

[18] Götz Aly, Hitlers Volksstaat, Frankfurt 2006, S. 318

[19] Sieglind Ellger-Rüttgardt, Geschichte der Sonderpädagogik, a.a.O., S. 252

[20] Harold Baumann, Montessori-Pädagogik und Faschismus ? eine Entgegnung, in: Reinhard Fischer / Peter Heitkämper (Hrsg.), Montessori-Pädagogik: aktuelle und internationale Entwicklungen. Festschrift für Professor Dr. Harald Ludwig, Münster 2005, S. 146

[21] Günter Schulz-Benesch, Ein NS-Pamphlet gegen die Montessori-Pädagogik, in: Montessori-Werkbrief 1984, H. 1, S. 16 – 18

[22] Karl Binding / Alfred Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, Leipzig 1920; s. Christof Gramm / Alexander Hollerbach, Geistige Behinderung aus rechtsphilosophischer Sicht, in: Geistige Behinderung, Heft 4/1990, S. 333 f.

[23] Maria Montessori, Die Macht der Schwachen, 2. Aufl. Freiburg 1989, S. 43 ff.

[24] s. Arnold Köpcke-Duttler, Die Würde der Starken ist die Würde der Schwachen, in: Rolf J. Lorenz u.a. (Hrsg.), Die ?Würde des Menschen? ? beim Wort genommen, Tübingen / Basel 2003, S. 43

[25] s. Das Kind. Halbjahresschrift für Montessori-Pädagogik, Heft 45, 1. Halbjahr 2009: Menschen mit besonderen Bedürfnissen und Montessori-Pädagogik III

[26] Pinchas Lapide, Er wandelte nicht auf dem Meer, Gütersloh 1984, S. 111

[27] Maria Montessori, Gott und das Kind, Köln 1956, S. 30

[28] Maria Montessori, Von der Kindheit zur Jugend, 2. Aufl. Freiburg 1979, S. 104; s. Johannes Ernst Seiffert, Die Erde übersetzen, Kassel 2007

[29] Kenzaburo Oe, Eine persönliche Erfahrung, Frankfurt 1991, S. 219

[30] Arnold Köpcke-Duttler, Pädagogik, Medizin und Rechtswissenschaft im Atomzeitalter, Frankfurt 1984

[31] Peter Rödler, Defizitorientierung, in: Konrad Bundschuh / Ulrich Heimlich / Rudi Krawitz (Hrsg.), Wörterbuch Heilpädagogik, 2. Aufl. Bad Heilbrunn  2002, S. 49; Bundschuh, Differenzierte Begutachtung und Kompetenzorientierung. Anforderungen an eine heilpädagogische Diagnostik im 21. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Heilpädagogik 2000, S. 321 ff.

[32] Sieglind Ellger-Rüttgardt, Geschichte der Sonderpädagogik, München / Basel 2008, S.  318; s. Dietmar Mieth, Behinderte in ihrer Differenz anerkennen: Selbstbilder empfangen, Respekt erweitern, Fürsorge verstärken, in: Sigrid Graumann u.a. (Hrsg.), Ethik und Behinderung. Ein Perspektivenwechsel, Frankfurt 2004, S. 92 ? 98 und Elisabeth Conradi, Take Care. Grundlagen einer Ethik der Achtsamkeit, New York / Frankfurt 2001

[33] Bogdan Suchodolski, Pädagogik am Scheideweg, Wien 1965, S. 113

[34] ders., Theorie der sozialistischen Bildung, Hannover 1974, S. 106

[35] Karl Marx / Friedrich Engels, Werke Bd. 1, Berlin 1957, S. 408

[36] Suchodolski, Theorie der sozialistischen Bildung, a.a.O. S. 113 f. ? Wir wissen, dass wir nicht mehr gezwungen sind, zwischen Liberalismus und Totalitarismus, zwischen der Freiheit ohne Gemeinschaft und der Gemeinschaft ohne Freiheit, zwischen Vereinsamung des Individuums und Einordnung in eine diktatorisch beherrschte Masse zu wählen. Wir wissen, dass die sozialistische Revolution aus dieser Alternative hinausführt …? (S. 114)

[37] Über das kreative Kind heißt es bei Maria Montessori, durch die Arbeit werde es bewusst und baue den Menschen auf. ?Das Kind wird von einer geheimnisvollen, starken Kraft geführt, die es allmählich inkarniert … Das Kind tritt ins Leben ein und beginnt seine geheimnisvolle Arbeit; nach und nach prägt es seine wunderbare Persönlichkeit, die sowohl seiner Zeit als auch seiner Umwelt entspricht.? (Maria Montessori, Das kreative Kind. Der absorbierende Geist, 10. Aufl. Freiburg 1994, S. 24 f.)

[38] Adam Schaff, Marxism and the Philosophy of Man, in: Erich Fromm (Ed.), Socialist Humanism, New York 1966, S. 145 ? Der Depersonalisierung der menschlichen Existenz und der zwischenmenschlichen Beziehungen widerspricht auch der polnische Philosoph Bronislaw Baczko in diesen Worten: ?The authenticity of individual existence is not a product that is born out of anonymous social forces and offered as a gift to the individual. It always remains the problem for the individual, a problem that is dependent upon the choice of values; it is only when the individual does decide on a set of values that meaning is given to the biological-social process of his existence.? (Marx and the Idea of the Universality of Man, in: Socialist Humanism, ebd. S. 192)

[39] Boguslaw Sliverski, Gegenwärtige Reformpädagogik in Polen, in: Harald Ludwig (Hrsg.), Montessori-Pädagogik in der Diskussion, Freiburg 1999, S. 255

[40] s. Immanuel Kant, Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht; Helmut Gollwitzer, Krummes Holz ? aufrechter Gang,  6. Aufl. München 1973

[41] Rudolf Dieter Graupner, Die Würde des Menschen hat keine Barrieren, in: Johannes Denger (Hrsg.), Individualität und Eingriff, Stuttgart 2005, S. 215

[42] Lew Kopelew, Tröste meine Trauer, Hamburg 1981, S. 393. ? Kopelew kritisiert die Kluft zwischen einer humanen Theorie und einer unmenschlichen Praxis und lehnt sich auf gegen den ?absolut prinzipienlosen Totalitarismus Stalins, der Millionen Menschen und ganze Völker vernichtete?. Zugleich übersieht er nicht, dass die Worte der Evangelisten zu den Gräueltaten der Kreuzritter und dem grausamen Fanatismus der Religionskriege geführt haben.

[43] Johann Gottlieb Fichte, Die Bestimmung des Menschen. Über die Würde des Menschen, Leipzig 1976, S. 153

[44] Emmanuel Lévinas, Zwischen uns, München / Wien 1995; Arnold Köpcke-Duttler, Die Würde der Schwachen ist die Würde der Starken. Zum Gespräch zwischen der Rechtsphilosophie und der Heilpädagogik, in: Rolf J. Lorenz / Dietmar Mieth / Ludolf Müller (Hrsg.), Die ?Würde des Menschen? ? beim Wort genommen, Tübingen / Basel 2003, S. 42; Otto Speck, Erziehung und Achtung vor dem Anderen, München / Basel 1996

[45] Theresia Degener, Menschenrechtsschutz für behinderte Menschen, in: Vereinten Nationen, Heft 3/2006, S. 104 ? 110

[46] Leandro Despouy, Human Rights and Disabled Persons, New York 1993

[47] Karl Ernst Nipkow, Menschen mit Behinderung nicht ausgrenzen!, in: Zeitschrift für Heilpädagogik 2005, S. 122 – 130

[48] Avishai Margalit, Politik der Würde, Frankfurt 1999, S. 137; Anne Siegetsleitner / Nikolaus Knoepffler (Hrsg.), Menschenwürde im interkulturellen Dialog, Freiburg / München 2005.

[49] Georg Picht, Hier und Jetzt: Philosophieren nach Auschwitz und Hiroshima, Band I, Stuttgart 1980; Hartmut von Hentig, Bildung, München / Wien 1996, S. 75 ff.

[50] Arnold Köpcke-Duttler, Zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung, in: Behindertenrecht 2009, S. 52 – 58

[51] Elisabeth Conradi, Take Care. Grundlagen einer Ethik der Achtsamkeit, Frankfurt / New York 2001

[52] Papst Johannes Paul II., Die Würde des Menschen in Christus. Die Antrittsenzyklika ?Redemptor Hominis?, Freiburg 1979, S. 54 f.

[53] Jürgen Moltmann, Diakonie im Horizont des Reiches Gottes, Neukirchen / Vluyn 1984, S. 48; Annedore Prengel, Pädagogik der Vielfalt, Opladen 1993; Arnold Köpcke-Duttler, Menschenrecht und Integration, in: Behindertenrecht. Fachzeitschrift für Fragen der Rehabilitation 2005, S. 149

[54] Irmtraud Schnell / Alfred Sander (Hrs), Inklusive Pädagogik, Bad Heilbrunn 2004

[55] Annedore Prengel, Egalitäre Differenz in der Bildung, in: Helmar Lutz / Norbert Wenning (Hrsg.), Unterschiedlich verschieden, Opladen 2001, S. 97 ? 107; In der modernen Welt gibt es nur den Menschen in seinen vielfältigen Bezogenheiten. Person kann der Mensch nur sein, wenn er auch den Anderen als Person anerkennt (Arthur Kaufmann, Das Menschenbild im Recht, in: Festschrift für Horst Schüler-Springorum zum 65. Geburtstag, Köln / Berlin / Bonn / München 1993, S. 423). Person ist so die lebendige Struktur von Relatio und Relata. 

[56] Ernst Bloch, Naturrecht und menschliche Würde, Frankfurt 1961, S. 189; Werner Maihofer, Demokratie im Sozialismus, Frankfurt 1968; Arnold Köpcke-Duttler, ?Behindertenrecht / Menschenrecht auf Gleichheit, in: Behindertenrecht 2006, S. 182

[57] Jutta Schöler, Integrative Schule / Integrativer Unterricht, Reinbek 1993

[58] Michael Klein-Landeck, Integration in Montessori-Klassen, in: Reinhard Fischer / Peter Heitkämper (Hrsg.), Montessori-Pädagogik ? aktuelle und internationale Entwicklungen. Festschrift für Prof. Dr. Harald Ludwig, Münster 2005, S. 333 ff.; Köpcke-Duttler, Menschenrecht und Integration, a.a.O. S. 150

[59] Johann Peter Vogel, Das Recht der Schulen und Heime in freier Trägerschaft, 3. Aufl. Neuwied / Kriftel 1997, S.  89

[60] Maria Montessori, Das kreative Kind. Der absorbierende Geist, 10. Aufl. Freiburg 1994, S. 208; siehe Ingeborg Waldschmidt, Maria Montessori. Leben und Werk, München 2001, S. 66

[61] Andreas Hinz, Von der Integration zur Inklusion ? Terminologisches Spiel oder konzeptionelle Weiterentwicklung, in: Zeitschrift für Heilpädagogik 2002, S. 354 ff.

[62] Geistige Behinderung, Heft 2/2002, S. 97 ff.

[63] Fjodor Dostojewski, Der Idiot, München o. J., S. 218

[64] ebd. S. 183; Mit Leszek Kolakowski ist darauf zu beharren, dass wir nicht die Wahl haben zwischen totaler Perfektion und totaler Selbstzerstörung. Vielmehr ist unser irdisches Geschick endlose Sorge, endlose Unvollkommenheit. Von daher kann nur im beständigen Zweifel an sich selbst die europäische Kultur ihr geistiges Gleichgewicht erlangen, womit nicht ein Anspruch auf Universalität gerechtfertigt sein soll (Leszek Kolokowski, Die Moderne auf der Anklagebank, Zürich 1991, S. 45)

[65] Jürgen Lotz, Frédéric Chopin, Reinbek 1995, S. 18

[66] Thomas Mann, Doktor Faustus, Frankfurt 1980, S. 135

[67] Franz Liszt, Friedrich Chopin. Leipzig 1980, Reprint Hildesheim 1978, S. 121

[68] Chopin, Briefe I, Frankfurt 1985, S. 246

[69] Novalis, Auswahl aus den Schriften. Hg. von Walter Rehm, Frankfurt / Hamburg 1956, S. 140

[70] Heinrich Rombach, Leben des Geistes, Freiburg 1977, S. 237