Männer im Krieg und danach
Jürgen Müller-Hohagen
Vieles von den realen Taten und Untaten der deutschen Wehrmacht liegt bis heute im Dunkeln. Die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung hat das öffentlich gemacht. Noch weniger ist über das subjektive Erleben der Soldaten bekannt. Die Masse von ihnen schwieg nach 1945 in den Familien oder vor ihren Schulklassen, oder es wurden Anekdoten erzählt, Geschichten, hinter denen sensible Kinder zwar das Grauen des Krieges ahnen mochten, es aber nicht wirklich zu fassen bekamen.
Das Schweigen der Kriegsheimkehrer war und ist schwer greifbar. Schweigen aus Schuld? Aus Desillusionierung? Trotziges Schweigen? Festhalten an den „großen Zeiten“? Traumatisierung? Alles zusammen?
Bis heute schweigen viele Männer, wenn es um Gefühle und Persönliches geht. Liegt das an den Genen oder an der geschlechtsspezifischen Sozialisation oder an der männlichen Beschäftigung mit Töten und Morden und der dazugehörigen Unterdrückung von Angst und Schrecken und Schuldgefühlen? Gefühlsabspaltung, Bereitschaft zur Gewaltausübung, selbstdestruktive Tendenzen – und über allem der Mantel des Schweigens.
Das geht über Generationen, wie lange noch?
In psychologischer Beratung und Therapie und im Alltag von Kindergärten und Schulen tauchen Männer weiterhin vergleichsweise selten auf. In den Familien werden sie Mangelware. Den Jungen verschwimmen die Vorbilder. Das sind Probleme von großer gesellschaftlicher Relevanz.
Es wird Zeit zu grundlegenden Veränderungen auch auf männlicher Seite: Zurücktreten von der Machtfixierung, Öffnen fürs Gespräch, nach außen und nach innen. Damit das aber geschehen kann, ist ein genauerer Blick auf das Erleben von Männern im Krieg und danach unerlässlich. Das soll hier versucht werden.
Ein wesentlicher Grund für die Schwierigkeit diese Themas ist die enge Verquickung des Zweiten Weltkriegs mit den Nazi-Verbrechen. Wie viele Soldaten waren zugleich Nazi-Täter? Oder waren es alle schon deshalb, weil sie halfen, die Verbrechen zu ermöglichen, also bereits ohne direkte Beteiligung? Aber waren es dann nicht auch die Volksgenossen insgesamt?
Bei so allgemeiner Betrachtung verschwimmt der Blick ins Ungreifbare. Deshalb möchten wir an dieser Stelle doch einmal genauer darauf schauen, was Männer abseits von Nazi-Täterschaft im engeren Sinne während des Zweiten Weltkriegs gemacht und erlebt haben und wie sie anschließend damit umgegangen sind.