Gedenktafeln

Jürgen Müller-Hohagen

Warum gibt es bis heute an so vielen öffentlichen Orten Gedenktafeln für die Gefallenen der beiden Weltkriege? Wird da der individuellen Toten gedacht und Mitgefühl für ihre Angehörigen ausgedrückt? Wird zugleich der von ihnen Getöteten gedacht? Und was ist mit den Opfern der Gewaltherrschaft? Entweder müssen sie sich an einigen zentralen Orten mit den Tätern auf ein und dieselbe Tafel zwängen oder sie finden sich nur in der Verbannung gesellschaftlicher Nischen. Warum gibt es nicht in jeder christlichen Kirche eine Tafel für die umgebrachten Juden, Sinti und Roma, Ernste Bibelforscher, Homosexuelle, Behinderte … aus dem Bereich der Gemeinde? Warum stattdessen im geweihten Raum Gedenken an „Helden“ und an ihre „für uns“ erbrachten „Opfer“, auch derer zwischen 1939 und 1945? Nicht einmal vor Hakenkreuzen sind Kirchen bis heute sicher, so etwa deutlich erkennbar auf den Photos einer Totenwand in einer bayerischen Provinzkirche.