Politische Aspekte

Jürgen Müller-Hohagen

Die gängige Aufteilung von „Privatem“ und „Politischem“ kann nicht aufrecht gehalten werden, wenn es um den Nationalsozialismus geht. Was war damals wirklich „privat“, tatsächlich ohne jeden Zusammenhang letztlich mit der Vernichtungspolitik? Waren nicht im Gegenteil die privatistischen Idyllen von Mutterglück, heiler Familie und Heimattreue wohlfeile Schmiermittel der Nazi-Politik? Sie halfen, im Wahnsinn noch Inseln von Sinn zu bewahren, Sinn, für den es sich zu leben und natürlich auch zu sterben lohnte. Was dabei bis in die tiefsten Gefühle der Individuen ging, war gleichzeitig alles andere als nur ihre Privatsache.

Die in der Nachkriegszeit weiter gepflegte Idylle vom privaten Glück erhielt erst in der 68er Zeit einen Sprung, doch wurde ihr dann ein solcher Politisierungswahn entgegengeschleudert, dass für die große Mehrheit alles beim Alten blieb. Und heute in der „Ellenbogen-Spaß-Konsum-Medien-usw.-Gesellschaft“ regiert für viele ein individualistisches sich Kümmern nur um sich selbst. Liegen nicht in solchem Rückzug auf eine private Eigenwelt verdeckte Kontinuitäten, die eventuell mehr, als es zunächst scheint, auch mit dem Nationalsozialismus zu tun haben?

Dies sind Fragen, die sich dem Dachau Institut stellen. In diesem Sinne sollen die Befunde aus Psychologie und Pädagogik auf ihre politische Bedeutung abgeklopft werden. Dabei wird Politik nicht nur als das angesehen, worüber die Tageschau berichtet. Politik ist mehr als das, was Politiker machen. Wir alle sind beteiligt, passiv und aktiv und ob wir es wissen oder nicht. Politik ist in uns, in unseren Gedanken, Gefühlen, Zielen, unserer Selbsteinschätzung, unseren Konflikten und unseren sozialen Beziehungen.